Helmut Naujoks zum Personalvertretungsgesetz im Weser Kurier am 9.03.2017
Der Ton der Auseinandersetzung ist scharf. Die Fraktion der Grünen hat angedeutet, sich das bremische Personalvertretungsgesetz (eigentlich: BremPersVG, hier: PVG) genauer ansehen zu wollen. Diese Ankündigung hat eine Reihe von Reaktionen ausgelöst. Die SPD hat den Vorstoß in Person ihrer Landesvorsitzenden Sascha Aulepp kategorisch abgelehnt (wir berichteten). Es heißt, dass es Sozialdemokraten gibt, die zumindest eine Überprüfung für angemessen halten. Namen werden nicht genannt. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Gesamtpersonalrat sehen keinen Anlass für Reformen (siehe Interview links).
Kristina Vogt, Fraktionsvorsitzende der Linken in der Bürgerschaft, ließ am Mittwoch verlauten: „Mit ihrem Angriff auf demokratische Mitbestimmung im Öffentlichen Dienst passt die Grünen-Fraktion gut in die FDP. Die ärgerliche Mischung aus Unkenntnis und Populismus, vermengt mit neoliberalen Werbesprüchen über ‚Expressdienstleistungen ohne Wartezeit in den Kundenzentren‘, wird den Problemen in der Verwaltung in keinem Fall gerecht.“
Es ist nicht das erste Mal, dass sich bremische Politiker und der Öffentliche Dienst mit dem bremischen Personalverfassungsgesetz beschäftigen. Die Christdemokraten sahen während der großen Koalition (1995 bis 2007) die Chance gekommen, das PVG anzupassen, konnten sich aber nicht gegen ihren Koalitionspartner SPD durchsetzen. Vor dem Hintergrund der Bemühungen, den Haushalt des Landes und der Städte zu sanieren, wurde das PVG im Abstand mehrerer Jahre von verschiedenen Seiten regelmäßig in Zweifel gezogen. Der Vorwurf: Der hohe Grad an Mitbestimmung führe dazu, dass sich der nötige Umbau verlangsame oder gar ins Stocken gerate, weil er gegen die Macht der Personalräte nicht durchzusetzen sei.
Christian Koch ist Jurist und Professor an der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Das bremische PVG sei großzügig in Mitbestimmungsfragen, „auch in der Konsequenz, mit der es das Letztentscheidungsrecht des Dienststellenleiters einschränkt“. Es unterscheide sich von den entsprechenden Gesetzen in anderen Bundesländern dadurch, dass „die Beteiligung der Personalräte an personen- und dienststellenbezogenen Entscheidungen sehr stark ausgebaut“ sei und sich die Mitbestimmung auf viele Bereiche erstrecke. Auch das zweistufige Verfahren – in Form einer Schlichtungs- und einer Einigungsstelle – sei eine Besonderheit. „Aber die Abweichungen zu anderen Ländern sind nicht gewaltig.“ Es könne sein, dass dieses zweistufige Verfahren mehr Zeit in Anspruch nehme, „dadurch können sich höhere Entscheidungskosten ergeben“.
Ein Problem sei, „dass der eigentlich demokratisch legitimierte Entscheidungsträger der Behördenleiter ist“. Er sei – über die gewählten Volksvertreter, aus deren Mitte die Senatoren bestimmt werden – beauftragt, „im Rahmen seiner Behörde gesetzliche Aufgaben zu erkennen, zu formulieren und umzusetzen“. Der Dienststellenleiter sei verantwortlich, einerlei welche Vorstellungen der Personalrat entwickle. Deshalb gebe es auch gewisse Ausnahmen, wo sich der Dienststellenleiter durchsetzen könne, „sie sind aber sehr eingeschränkt“, so Koch.
Ein Jurist, der sich in den vergangenen Jahren intensiv mit den Rechten von Personal- und Betriebsräten auseinandergesetzt hat und deren Umfang kritisiert, ist Helmut Naujoks, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er vertritt ausschließlich Arbeitgeber und gilt als Erzfeind von Gewerkschaftern und Arbeitnehmervertretern. Grundsätzliche Konflikte mit Arbeitnehmervertretern seien in Deutschland ein Tabu-Thema, sagt er, und: „Wer Macht hat, läuft Gefahr, diese zu missbrauchen. Personalräte haben Macht.“ Selbst wenn ein Senator in wichtigen Fragen ein Letztentscheidungsrecht habe, würden Auseinandersetzungen mit Personalräten in der Regel vermieden, „weil die Sorge vor schlechter Presse die Sachauseinandersetzung mit Missbrauchshandlungen von Personalräten bremst. Das hat allerdings nichts mit dem bremischen PVG zu tun. In ganz Deutschland nehmen Arbeitgeber Missbrauchshandlungen von Personalräten und natürlich auch Betriebsräten hin, weil sie Sorge vor einem negativen Echo in den Medien haben.“
Ähnlich sieht es Thomas Röwekamp, CDU-Fraktionsvorsitzender in der Bremischen Bürgerschaft: „Das große Problem sind aber nicht nur rechtliche Bedenken, sondern die Psychologie, die dahinter steckt: Es traut sich kaum jemand, eine Maßnahme gegen den Personalrat, gegen die Ergebnisse von Schlichtung- und Einigungsstelle durchzusetzen. Ein mutiger Senat könnte sich über Einigungsspruch hinwegsetzen, das findet aber so gut wie nicht statt.“ Eine Reform des PVG und „eine Klarstellung“ seien nötig, „um den psychologischen Druck aus diesen Entscheidungsprozessen herauszunehmen“, so Röwekamp.
Als Beispiel für den Einfluss der Personalräte auf wichtige Reformen nennt der Christdemokrat das einstige Klinikkonzept der Geno, mit dem die vier kommunalen Krankenhäuser neu aufgestellt und Doppelstrukturen abgeschafft werden sollten: Bei der Diskussion über die Umsetzung von Mitarbeitern seien sich Mitarbeiter und Dienstherr teilweise einig gewesen, „der Personalrat hat trotzdem widersprochen“, so Röwekamp. Auch den Widerspruch des Personalrats gegen die Einstellung studentischer Hilfskräfte im Stadtamt führt Röwekamp als ein Beispiel an, wo sich der Personalrat gegen eine Lösung zugunsten der Kunden gesträubt habe. „Das sind konkrete Beispiele, wo uns das Gesetz behindert.“ Anwalt Naujoks: „Die Politik ist ,Gefangener ihrer selbst‘, es fehlt das politische Selbstbewusstsein und vor allem auch die politische Durchschlagskraft, wichtige Änderungen herbeizuführen.“
Karoline Linnert vertritt als Finanzsenatorin den Arbeitgeber Senat. Sie sagt: „Mitbestimmung ist mir wichtig. Das PVG ist verfassungskonform und wird auch so praktiziert. Der Senat behält sich das Letztentscheidungsrecht vor.“ Es gebe klare Fristen für Schlichtungsverfahren und Einigungsstellen. „Wenn es länger dauert, muss man im Einzelfall genau hinsehen, was die Ursachen sind. Sich Zeit nehmen, Argumente abwägen, Hinweisen nachgehen, ist nicht per se schlecht.“
Dieses Letztentscheidungsrecht des Senats sorge auch dafür, dass das Gesetz „verfassungsrechtlich extravagant ist, aber wahrscheinlich unangreifbar“, so Professor Koch aus Speyer. Die Frage sei, ob von diesem Recht in der politischen Praxis Gebrauch gemacht werde. „Der Gedanke des Gesetzes ist, einen sozialen Dialog einzurichten.“ Die FDP hat am Mittwoch vorgeschlagen, sich über Parteigrenzen hinweg dem PVG zu widmen. Fraktionschefin Lencke Steiner: „Wir können uns gut vorstellen, das Personalvertretungsgesetz im Rahmen einer Enquete- Kommission umfassend zu beleuchten und gemeinsam mit allen anderen Fraktionen an einer Lösung zu arbeiten.“